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Backstage 1

Bei Omas Umzug erhalte ich ihre Schellack-Platten

In der Bundesrepublik und den meisten anderen westlichen Ländern wurde die Fertigung von Schellackplatten im Juli 1958 eingestellt. Die DDR vollzog diesen Schritt im Jahr 1961.
Meine Großmutter, seit Jahren krankheitsbedingt ans Bett gefesselt, mußte mit meinen beiden Tanten Agnes und Elisabeth das von ihnen bewohnte kleine Häuschen in der Kölner Eintrachtstrasse verlassen, weil der Platz für den Bau des erbischöflichen Palais benötigt wurde. Das Erzbischöflichen Residenz wurde 1957 bis 1958 von dem Kölner Architekten Hans Schumacher entworfen und in Zusammenarbeit mit Willy Weyres umgesetzt. Sie ist schlicht konzipiert und beherbergt das erzbischöfliche Priesterseminar, das Historische Archiv des Erzbistums sowie das erzbischöfliche Offizialat. Die Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz.
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Oma hat den Umzug in eine Mietwohnung nach Köln-Longerich nur kurz überlebt. Im November 1958 ist sie verstorben.Ihre Schellackplatten-Sammlung hatte den Umzug nicht mitgemacht - die PLatten hat sie schweren Herzens mir übereignet, weil ich imer, wenn ich zu Besuch war, meine große Freude daran hatte, Platten auf den Plattenteller zu legen, die Spirale aufzudrehen (Vorsicht!! Nich überdrehen - die reißt!!!) und über das Öffnen der beiden "Haupttore" und diverser "Nebentürchen" die Lautstärke zu regulieren. Oma war ein Fan des Konzertsängers Heinrich Schlusnus, von dem ich heute weiß, daß zwischen 1919 bis 1951 sage und schreibe 514 professionell mit ihm produzierte Schallplatten mit Arien und Liedern auf den Markt gekommen sind. Oma hatte davon geschätzte 1000.

Außer Schlusnus gab es aber auch den Kölner Kinderchor und den Kölner Männer Gesang Verein mit Geläute des "Decke Pitter", die immer dann aufgelegt wurden, wenn Weihnachten war. Heiigabend hörten wir aber bei Oma auch immer den "Decke Pitter" im Original - der Dom war ja nur einen Katzensprung weit entfernt. Dann waren da noch die Platten von Willi Ostermann, Willy Schneider, Karl Berbuer, Jupp Schmitz, Jupp Schlösserund anderen Karnevalisten (Aussage Oma), die aber nur zwischen Neujahr und Aschermittwoch aufgelegt werden durften.Das tat ich dann aber imme reichlich

Wo gibt es denn noch Plattenspieler für Schellack?

1957: Am 1. Aptil begann meine Lehre bei der Kreissparkasse Köln. Ich wohnte noch bei meinen Eltern und mit drei Schestern in einer kleinen Wohnung in Köln-Bickendorf. Die vom Umzug der Oma nach Longerich verschont gebliebenen Schellack-Platten hatte ich -reduziert um die meisten Schlusnus-Aufnahmen - in unserem kleinen Keller in einer Ecke bruchsicher gestapelt. Dot überlebten die Platten meine dreijährige Lehrzeit mit Achluß Bakkaufmann, meine dann folgende Einberufung zum Grundwehrdiens auf zunächst 12 Monate, dann durch zweimalige Gesetzesänderung auf 18 Monate verlängert bis Mitte 1962. Am 19. Oktober 1962 haben Käthe Köllen, die ich schon seit meiner Lehrzeit 1957 kannte, und ich geheiratet und eine Wohnung in Kön-Höhenhaus bezogen. Da alle Bemühungen, in Köln eine Wohnung zu finden, ergebnislos blieben, willigte meine Frau Ende 1963 ein, in ihren früheren Wohnort nach Balkhausen zu ziehen und im Nachbarort Türnich das von ihren Eltern geschenkte Grundstück zu bebauen.
1965 - unser Haus konnte bezogen werden und die total zugestaubten Schellackplatten aus ihrem düsteren Loch in Köln-Bickendorf befreit und nach Türnich verlagert werden.

Da seit 1958 keine Schellack-Platten mehr produziert wurden, gab es natürlich auch keine Abspielgeräte mehr zu kaufen. die auf dem Markt befindlichen Geräte konnten nur 33er oder 45er Vinyl-Platten abspielen. Einige waren zwar noch in der Lage, auch 78er Schellack-Platten abzuspielen. Das hatte aber zur Folge, dass der empfindliche Saphier für vel Geld erneuert werden mußte.


Willy Schneider