Sie sind hier:

Jean Esser

Jean Esser-70jähriger Nachwuchsstar

"Ich ben der Essers Jean us Frechen" - so stellte sich ein etwa 70-Jähriger vor, nachdem ich die Haustür geöffnet hatte. "Ich wohl Üch e Leedche singe", meinte er und deutete auf einen Kasten, den er bei sich trug. Drinnen in der Wohnung entnahm er diesem Kasten ein Bandonium und auf meine erstaunte Frage, was er denn vorhabe, gab er mir zur Antwort: "Ich singe zick dressig Johr kölsche Leedcher un ben vun Beruf Bäcker. Ming Fründe han gesaat, ich sollt Inne och ens ming Lieblingsleed "Griet, was häs do für decke Bein" vorsinge - dat wör dat richtige Leed für op die Schallplaat vun de Sparkass."
Und dann sang er von der Griet mit den dicken Beinen, mit einer Stimme, die klang, als käme sie aus einem dunklen tiefen Brunnenschacht und die Töne, die er seinem Bandonium dabei entlockte, gaben dem ganzen einen eigenartigen, aber warmen und anheimelnden Klang.
Die Melodie hatte ich sofort erkannt. "Hupf mein Madel" aus irgendeiner Operette aus dem Berlin um die Jahrhundertwende. Willi Ostermann hatte sich dieser Melodie für sein Lied "Schrumm, ald widder en Fleech kapott!" bedient. Die von Esser gewünchte Aufname für die Kölsche Evergreens mußte ich leider ablehnen - wir hatten das Lied ja erst drei Jahre zuvor mit Toni Steingass als Interpreten veröffentlicht.
Esser war natürlich sehr enttäuscht. im Verlauf unserer weiteren Unterhaltung erzählte er mir dann von seinem "kölschen" Hobby und erwies sich dabei als Kenner zahlreicher Ostermann-Lieder. "Kennen Sie auch das Lied "Am dude Jüdd?" wollte ich wissen. "Nä, leider nit, ävver dat vun dä Stollwercks-Hotvoullee es och ganz prima!" Und dann sang er das Lied aus dem Stegreif. "Well mer laache, sich vermaache, muß nohm Dude Jüdd mer gon ..." Und schon dämmerte es uns, das wir über das gleiche Lied sprachen.
Wochen später hatte Jean Esser den ersten Studio-Auftritt seines Lebens und im November bei der Vorstellung der Kölsche Evergreens Folge 5 war der 70jährige "Nachwuchsmann" die gefeierte Neuentdeckung am Kölner Liederhimmel mit "de lila-lila-Söckcher" und der Unterzeile "Am dude Jüdd"